Buchtipp:
Johannes Twaroch
Total indiskret
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Irene Apfalter Atem losErzählung2005, 126 Seiten, franz. Broschur, 17,90 € (A), 17,40 € (D) ISBN 978-3-902300-17-1 |
Buchinfo · zur Person · Rezensionen
Eine junge Frau erwacht eines Morgens und nimmt mit Entsetzen und Verwunderung wahr, dass sie nicht mehr atmet.
Mit der minutiösen Schilderung der nun folgenden fünf Tage ist es Irene Apfalter nicht nur gelungen, auf die psychische Situation einer am Borderline-Syndrom leidenden Frau aufmerksam zu machen und dass eine (psychische) Erkrankung nicht bedeutet, nicht künstlerisch und literarisch Wertvolles zu schaffen (ganz im Gegenteil). Ihr im wahrsten Sinn des Wortes in rasanter Atemlosigkeit und in einem von schneidender Klarheit getragenen Stil verfasstes Buch führt die LeserInnen auch ultimativ an die Grenzen menschlichen Fühlens und Denkens.
Die Geschichte erinnert an einen Peter Schlehmil, der seinen Schatten verpfändet. Vielleicht sind es die selbstverständlichen, ‚natürlichen' Dinge, die uns mit der Welt verbinden oder von ihr trennen …Die Erzählung beschreibt in großartiger,sich verdichtender Form, gleich einem Bolero ‚mortale' in Ravelschem Sinn, die Einengung eines jungen Menschen, die Isolation, Hoffungen, Ängste und Hilflosigkeit.
Andreas Woitzuck
Nein, nicht Krankheiten und nicht Tragödien machen unser Leben so schwer, sondern wenn wir nichts daraus machen und oft ein Leben lang damit hadern. Es ist auch zu wenig, ein Problem ‚nur' zu lösen, oder ‚nur' gesund zu werden ... Das Leben verlangt eben genau an dieser mächtigen Stelle (so mächtig wie in diesem Buch beschrieben) darüber zu sprechen, es dieser Welt zu zeigen und Gold daraus zu machen. Ein Problem ist wie ein Auftrag des Lebens: ein ganz besonderes Spannungsfeld, aus dem heraus erst unser ganz besonderes Schaffen - aus tiefster Seele - möglich wird.
Wolfgang Grußmann
Irene Apfalter, geboren 1974 in Mödling/NÖ; Germanistin, Historikerin und Schriftstellerin; lebt derzeit in Wien. Veröffentlichungen u. a.: …weil ich mich spüre, wenn ich leide. Aus dem Leben einer Borderlinerin, Wien 2002 (erschienen unter dem Pseudonym Liane Lenz).
Irene Apfalter erzählt in einer wahrlich atemlosen Sprache in präziser Weise fünf Tage im Leben einer Sie-Erzählerin. Diese Erzählerin bzw. Hauptfigur ist AHS-Lehrerin von Beruf und stellt eines Morgens (der gleichzeitig das Ende der Sommerferien bedeutet) fest, dass sie nicht mehr atmet, dass ihr der Atem abhanden gekommen ist. Das Seltsame an dieser Feststellung ist für sie die Tatsache, dass sie dennoch lebt. Trotz dieses vehementen, unglaublichen Vorfalls versucht sie den Alltag unauffällig zu meistern. Doch im Laufe der Erzählung wird spürbar, wie sich die Tage verknappen, d.h. je weiter die Woche fortschreitet bzw. die Atemlosigkeit anhält desto stärker wird der Druck des Alltags und der Situation. Zuerst die Flucht in einen erschwindelten Krankenstand, der keine Entspannung, keine Lösung bringt. Immer enger werden die Tage, immer deutlicher und klarer die Ausweglosigkeit dieser Atemlosigkeit.
Irene Apfalter beschreibt in beklemmender Weise und dichter Sprache eine Grenzerfahrung der Gefühle und des Denkens. Sie macht damit auf die psychische Situation einer am Borderline-Syndrom leidenden jungen Frau aufmerksam. Wenn frau/man diesen Hinweis allerdings nicht hätte, wäre es schwer auszumachen, aus welchem Blickwinkel diese Erzählung verfasst ist. Vielerlei Mutmaßungen sind und wären zulässig, weil es sich in erster Linie um ein Stück Literatur handelt, gute Literatur wohlgemerkt.
Rudolf Kraus www.buchkritik.at